Früh morgens um acht ging es los, nach Wien, Stadt größter historischer und kultureller Relevanz. Rund 100 Museen und Sammlungen, unzählige Theater und Bühnen, eine weltbekannte Oper, 2 UNESCO Welterbestätten, lange Zeit Regierungssitz in der ein oder anderen Form und von den zahlreichen berühmten Söhnen und Töchtern der Stadt brauch ich gar nicht erst anfangen. Wahrlich, wer Wien in all seinen Facetten erleben will, der hat ein hartes Stück Arbeit vor sich.
Um das zu tun, muss man natürlich erstmal ankommen und so erblickten wir nach mehr als sieben Stunden von Unwettern durchzogener Anreise den prägnanten Turm der im Stile Hundertwassers gestalteten Müllverbrennungsanlage Spittelau. Nach kurzer Ankunftsphase in unserer Unterkunft, die nur einen Steinwurf von der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbauten, festungsgleichen Rossauer Kaserne entfernt war, dem heutigen Amtssitz des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung, machten wir uns auf zu einer kleinen Stadtführung im 1. Bezirk, wo wir auch den Rest des Abends verbringen durften. Die historische Innenstadt zeichnet sich durch ihre gut erhaltene Architektur, viele Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel auch den Stephansdom, die Hofburg, das Naturhistorische Museum und viele anderen bekannten Bauten und auch ihre Passantenfreundlichkeit aus, ist das hochmotorisierteste Gefährt auf der Straße doch meist die Pferdekutsche. Sie ist Teil der zum Weltkulturerbe erklärten Gebiete Wiens. Neben Geschichte liefert der Bezirk auch zahlreiche Geschäfte, Cafés und Restaurants und ist auch Anlaufstelle für all diejenigen, die eine original Sacher-Torte erwerben wollen.
Am Dienstag machten wir uns auf den Weg zum Vienna International Center, gerne auch UNO-City genannt, weil der stark abgeriegelte Gebäudekomplex angeblich über alle Einrichtungen, die man so benötigt (ja, auch einen Friseursalon, der gerade coronabedingt außer Betreib ist) verfügt, um den circa 5000 Mitarbeitern das Leben zu erleichtern. Die sechs y-förmigen Bürogebäude mit der markant geschwungenen Fassade unterschiedlicher Höhe, die sich um ein rundes Konferenzgebäude anordnen, befinden sich übrigens im Besitz des Landes Österreich und der Stadt Wien, welche diese für 99 Jahre zu einem symbolischen Betrag von 1 Schilling, etwa 7 Cent, an die Vereinten Nationen vermietet. In einer einstündigen Führung wurden uns hier vor allem das Büro für Weltraumfragen und die Organisationen für Atomenergie und zum Verbot von Nuklearversuchen vorgestellt. Diese hat übrigens auch ein weltweites Frühwahnsystem für diverse Naturkatastrophen. Auch erfuhren wir einiges Interessantes über dort stattfindende Konferenzen, von der anspruchsvollen Aufgabe der Dolmetscher, die simultan übersetzen müssen, bis hin zur Tatsache, dass der Generalsekretär der UN wöchentlich auslost, welches Land vorne sitzen darf.
Tags darauf ging es wieder in vergangene Zeiten und zu Wiens anderem Weltkulturerbe, dem Schloss Schönbrunn. Der Barocke Bau war von Maria Theresia zur Sommerresidenz der Habsburger gemacht worden, zuletzt bewohnt wurde es von Kaiser Franz Joseph I., der auch dort verstarb und Kaiserin Elisabeth, genannt Sissi, sofern diese sich in Wien aufhielt, was eher selten der Fall war. Neben der fast schon erdrückenden Opulenz des Gebäudes muss man allerdings feststellen, dass nicht einmal royales Blut vor innenarchitektonisch fragwürdigen Entscheidungen gefeit ist, wie dem, verzeiht den Ausdruck, aber ein anderer wird der Sache nicht gerecht, kackbraunen Stoff mit den spärlich darauf gesprenkelten Blättern, die man mit fast bewundernswerter Konsequenz in jedem Winkel des franz-josefschen Arbeitszimmers verteilt hat, von der Tapezierung bis zum Mobiliar. Die Anschaffung dieser textilen Abscheulichkeit ist nur mit einem wirklich sehr guten Rabatt zu entschuldigen. Am Abend ging es dann noch auf den Prater mit den vielen Buden und dem bekannten Riesenrad.
Abgeschlossen wurde unsere Fahrt am Donnerstag mit einem Ausflug nach Grinzing, bekannt für den Heurigen, also dem diesjährigen Wein. Dort wurde der Abend in einem schon fast stereotypisch urigen Ambiente bei Live-Musik, Wiener Schnitzel und einem eher dubiosen Stück Apfelstrudel ausgeklungen, bis die besonders Erheiterten das übrig gebliebene Wissen aus dem letztjährigen Tanzkurs auspackten, wobei die meisten etwas Unterweisung von den älteren Damen vom Nachbartisch, die sich der lustigen Runde auf der Tanzfläche anschlossen, benötigten.
Offensichtlich war das nicht alles, lediglich was alle gemeinsam erlebt haben. Die vier Seminarleiter haben sich natürlich mehr oder weniger themenbezogene Programmpunkte ausgesucht, ob es jetzt Herrn Prechtls Gruppe war, die in eine englischsprachige Kinovorstellung ging oder Frau Helmbrechts Filmseminar, das sich eigentlich nur mit einem Propagandafilm Leni Riefenstahls auseinandersetzen wollte, sich dafür aber durch einen zuvor laufenden queeren-Underground-Streifen quälen musste, der vielen der Anwesenden wohl nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Herrn Hutschenreuthers Gruppe hingegen durfte die Ottakringer Brauwerke besichtigen, ein bisschen vom braufertigen Malz naschen (überraschend schmackhaft) und wenn gewollt auch vom Hopfen (davon ist dringend abzuraten - sehr bitter). Anschließend wurde noch über die korrekte Bierverkostung unterrichtet, wobei wir feststellten, dass jedes Bier ähnlich wie eine Muschel rauscht und der Geruchssinn sich im Kurs wohl stark unterscheidet, hat man doch aus demselben Getränk ja Johannisbeere und Bratwurst errochen (der Konsens war schließlich Banane). Frau Landesbergers Seminar nahm zum Beispiel auch an einem Medienworkshop teil. In etwas größerer Gruppe besuchte man auch das wunderschöne Hundertwasserhaus, das besagter Künstler umgestaltet hat, um dort eine ständige Ausstellung seiner Werke zu ermöglichen. Neben einer bunten Fassade, den charakteristischen Säulen und sogenannten „Baummietern“ verfügt das begrünte Gebäude, frei nach Hundertwassers Leitsatz: „Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch“, nicht über einen ebenen Boden, sondern einen, dem Waldboden nachgeahmten, gewellten. Dieser wurde treffend als „Melodie für die Füße“ bezeichnet und war Objekt großer Faszination. Leider gestaltet er die Möblierung etwas kompliziert. Und auch Teambuilding kam nicht zu kurz, so fand sich doch die ein oder andere Gruppe mit variierendem Erfolg, aber nichtsdestotrotz erfolgreich, in einem Escape-Room wieder.
Man merkt, es fällt schwer den Erfahrungen dieser Fahrt gerecht zu werden, sind sie nicht zuletzt dank der vielen Freizeit, die uns zugestanden wurde, so divers wie die Teilnehmeranzahl. Ein jeder hatte die Chance Wien so kennenzulernen, wie er es denn gerne möchte, vorausgesetzt er fand zwei Leute, die mitwollten. Ob er jetzt auf dem Zentralfriedhof opulente Gräber besichtigte oder Gemälde im Albertina bestaunte, eine Stunde lang jeden Stein der Mineraliensammlung des Naturhistorischen Museum unter die Lupe nahm, nur damit man durch alle anderen Ausstellungen hasten musste, weil die Zeit ausging oder vielleicht doch lieber ins Haus des Meeres will, oder ins Technische Museum, oder ins Weltenmuseum, usw. Nun, die Idee ist klar, langweilen hat sich keiner brauchen.
Und? Sind wir der Stadt jetzt gerecht geworden? Natürlich nicht, sicher könnte man noch mindesten 100 Sachen finden für die es sich lohnt Wien zu besuchen. Aber ich denke, für die kurze Zeit, die wir da waren, haben wir einiges mitgenommen. Und das ein oder andere Paar wunde Füße war am Freitag auch ganz froh, dass es nach Hause ging.
Vielen Dank an Merle Müller, Q12, für den tollen Artikel!
Andreas Hutschenreuther